ICOMOS

International Council on Monuments and Sites / Deutsches Nationalkomitee e.V.

 

Stellungnahme zur öffentlichen Auslegung des BP 05.10 (April 2020):

Die o.g. öffentlichen Auslegungen veranlassen den Eingabenstellenden, zu der beabsichtigten Planaufstellung bzw. F-Plan-Änderung Stellung zu nehmen. Das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS befasst sich kontinuierlich mit der Beobachtung des Zustandes der UNESCO-Welterbestätten in Deutschland und des Umgangs mit ihnen und es berät dabei die zuständigen Stellen. Diese Tätigkeit folgt den Richtlinien der Welterbekonvention der UNESCO und dem Auftrag zum „Preventive Monitoring“ gemäß der Resolutionen Nr. 27 (2008) und 32 (2017) der Generalversammlung von ICOMOS.

Die in die Liste des Welterbes der UNESCO aufgenommenen Welterbestätten sind von besonderer Qualität und besonderer Bedeutung für die gesamte Menschheit. Jegliche lokale Handlung an und um dieses Erbe muss sich somit besonderen und erhöhten Maßstäben der Beurteilung stellen.

Im Jahr 1984 wurden die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl als Nr. 288 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Damals erfolgte noch keine hinreichende Ausweisung einer Pufferzone, in der auch die Sichtbeziehungen und historischen Bezüge in die umliegende Kulturlandschaft hätten berücksichtigt werden können. Auch ein heute üblicher Managementplan, der die verwaltungsmäßigen und kommunikativen Beziehungen der betroffenen Gebietskörperschaften und Akteure untereinander beschreibt und regelt, wurde damals dem Antrag nicht beigegeben. Dieses Manko findet sich noch bei vielen der frühen Eintragungen in die Welterbeliste und sollte nachgearbeitet werden. So könnte im Rahmen von städtischen, regionalen und überregionalen Planungen rechtzeitig und denkmaladäquat reagiert werden. Den behördlich wie eigentumsrechtlich Beteiligten bzw. Betroffenen könnte dann schon sehr früh vermittelt werden, welche Rahmenbedingungen gelten und berücksichtigt werden müssen. Für den Erhalt eines derart ausgezeichneten Denkmals in einer Kulturlandschaft ist die Ausweisung einer Pufferzone besonders wichtig und sollte unbedingt in absehbarer Zeit erfolgen.

Dessen ungeachtet erhält die UNESCO-Welterbestätte auf dem Gebiet der Stadt Brühl durch eine hochästhetische Verschmelzung von Schlössern und Park, Herrschaftssitzen, Stadt und Landschaft ihre besondere historische und künstlerische Bedeutung. Die vorliegende Planung nimmt die Anforderungen, die die Welterbestätte an alle Beteiligten stellt, leider nicht auf. Es sei deshalb schon hier vorausgeschickt, dass das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS die vorliegende Planung für nicht welterbeverträglich hält. Die Belange, die sich aus dem Denkmalschutz und insbesondere dem Welterbestatus der „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ mit dem Schutz der Umgebung ergeben, sind nach Einschätzung des Eingabenstellenden nicht ausreichend in die Überlegungen zur Aufstellung des B-Plans 05.10 und der F-Plan-Änderung eingeflossen.

Der historische und künstlerische Wert der Welterbestätte

Der Schlosspark der UNESCO-Welterbestätte „Schlösser Augustusburg und Brühl“ wurde im 18. Jahrhundert unter dem Kölner Kurfürsten und Erzbischof Clemens August I. angelegt und dann im 19. Jahrhundert durch Peter Joseph Lenné unter König Friedrich Wilhelm IV. (1795- 1861) noch einmal dem Zeitgeschmack entsprechend u.a. im Bereich des Tiergartens landschaftlich überformt. Es wurde ein „Verschönerungsplan“ für die Parklandschaft erarbeitet, der die Sichten in die umgebende Landschaft mit ihren Herrschaftssitzen einbezieht, indem gezielt an einigen Stellen von einer dichten Bepflanzung abgesehen wurde und eine Hinführung in die Landschaft oder zu besonderen Points de Vue über eine differenzierte Gartengestaltung erfolgte. Landschaftsraum und „Schlossgarten“ wurden hier als Einheit begriffen und aktiv entwickelt. Über vielfältige Sichtbeziehungen fand eine Verknüpfung von Bauten, Parkanlagen und Landschaft statt, es wurde ein unteilbares Ganzes geformt. Das 1992 entstandene Parkpflegewerk von Gustav und Rose Wörner (Park des Schlosses Augustusburg in Brühl) stellt dies an mehreren Stellen dar. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem die auf Seite 472 gemachte Aussage: „Die Blickbeziehungen in die in landwirtschaftlicher Nutzung befindlichen Flächen vom östlichen Teil des Schlossparks aus sind, ebenso wie die nach Süden, freizuhalten. Insbesondere müssen die Sichten in Richtung Palmersdorfer Bach …, zum Schloss Falkenlust mit seinem Park, zur in der Hauptachse (Poppelsdorfer Allee) des Schlosses Brühl im Süden gelegenen Schallenburg am Ortsrand von Schwadorf sowie zum Höhenzug des Vorgebirges offen bleiben. Sie sollten weder durch Bauwerke noch durch höher werdende Anpflanzungen gestört werden. Der Ausbau der Kreisstrasse 7 sowie der Autobahn 553 haben hier bereits erhebliche Beeinträchtigungen herbeigeführt.“ (Hervorhebung des Eingabenstellenden). Auf der dem Parkpflegewerk beigegebenen Karte (S. 496 b) weist die Hauptachse/ Hauptallee von der dem Schloss vorgelagerten Terrasse in Richtung der Schallenburg, diese Sicht ist auch heute noch ohne Schwierigkeiten auch in der Bewegung auf dieser Achse zu erleben, dies gilt natürlich vice versa für die Sicht nach Norden. Von Peter Joseph Lenné wurde am Ende dieser Achse im Süden ein Aussichtspunkt angelegt, der sich bis heute erhalten hat. Es gilt diese Einheit von Schlosspark und Landschaft zu bewahren, auch und gerade bei einer Weiterentwicklung der Stadt Brühl.

Gefährdung der Welterbestätte „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ in Brühl

Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts begannen Bauten an anderer Stelle um den Schlosspark herum Sichten zu stören oder gar zu verstellen, damit kommt dieser noch existierenden und erlebbaren Sicht durch die Hauptachse/ Hauptallee zur und von der Schallenburg mit der umgebenden Feldflur eine besondere Bedeutung zu.

Bei der Aufstellung eines B-Plans in diesem Teil der hochsensiblen Kulturlandschaft ist jede Bebauung im Umfeld der UNESCO-Welterbestätte auf ihre Verträglichkeit für sie kritisch zu prüfen. Der B-Plan verzichtet auf die Berücksichtigung der betroffenen Kulturdenkmale sowie der daraus folgenden Ansprüche an ihre Umgebung. Er verzichtet auch auf eine Bezugnahme auf die Bedeutung dieser Kulturdenkmäler für die Stadt Brühl, die Bundesrepublik Deutschland und die Weltgemeinschaft. Ungewürdigt bleibt, dass die Stadt Brühl beabsichtigt, in der Umgebung der UNESCO-Welterbestätte einen erheblichen Eingriff in die prägende Kulturlandschaft vorzunehmen. Durch dieses Darstellungsdefizit wird der Eindruck erweckt, es handele sich bei der beabsichtigten Bebauung an der „Östlichen Lindenstraße/westlich An der Schallenburg“ um ein „gewöhnliches“ denkmalpflegerisches und stadtplanerisches Thema. Die landschaftliche Verbindung ist für die Qualität der Welterbestätte mit ihren Sichten jedoch von großer Bedeutung, ihre Störung gefährdet den außerordentlichen universellen Wert der Welterbestätte „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ in Brühl.

Im Vorentwurf der Begründung zum vorliegenden B-Plan-Entwurf 05.10 und der Änderung des FNP werden die umgebenden Denkmale wie z.B. Schallenburg und Strauchshof zwar genannt, die UNESCO-Welterbestätte „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ wird im Umweltbericht (Begründung Teil B) nur summarisch unter dem Kulturlandschaftsbereich „Brühler Schlösser – Vorgebirge“ erwähnt. Die Begründung (Teil B) ist insofern mangelhaft, als sie die Wechselwirkungen, deren Beachtung als Schutzgut nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG ausdrücklich gefordert ist, zwar zitiert, aber nicht in ausreichendem, d.h. hier angemessenem Umfang beschreibt. So werden die beeinträchtigende Wirkung der vorgesehenen mehrgeschossigen Bebauung auf die oben erwähnten Sichtbeziehungen von der Welterbestätte sowohl auf die Schallenburg wie auch die umgebende Feldflur, damit in die für die für diese Welterbestätte wichtige Kulturlandschaft völlig außer Acht gelassen, um schließlich keine „relevanten Wechselwirkungen“ festzustellen. Dies ist als grober Verstoß gegen die planerische Sorgfaltspflicht zu werten. Auch widerspricht das Vorhaben den Zielen des Landesentwicklungsplanes NRW, in dessen „Fachbeitrag Kulturlandschaft“ (Köln 2016) die Bewahrung der Blickachse von Schloss Augustusburg auf Schwadorf als relevantes Ziel für diesen bedeutsamen Bereich vorgesehen ist.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass das Baugebiet des Bebauungsplanes 05.10 auch nicht dem gültigen Regionalplan entspricht. Das Baugebiet ist im Regionalplan nicht eingetragen. Vielmehr sieht der Regionalplan ausdrücklich die Sicherung der Sichträume zwischen Adelssitzen und Hofanlagen sowie der Ortsstrukturen sowohl für die Blickachsen von Schloss Augustusburg auf Schwadorf wie auch von den ackerbaulich genutzten Freiräumen vor der Schallenburg als Ziel vor. Als weiteres Ziel ist die Wahrung der landschaftlichen Dominante ausgewiesen (siehe den Fachbeitrag Kulturlandschaft zum Regionalplan Köln – Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung. Köln 2016, S. 171, Absatz 161 und S. 186, Absatz 201).

Auch ist es wichtig sicherzustellen, dass Veränderung der Wasserhaltung sowohl technisch wie auch gestalterisch nicht zu Schäden an Gebäuden und auch an den natürlichen und artifiziellen Gewässern in der Welterbestätte führen.

Der angeführten Befriedigung des Bedarfs an Wohnungen wird nach Erachten des Eingabenstellenden in fehlerhafter Weise gegen die landes- und regionalplanerischen Ziele ein Vorrang eingeräumt, der zur Vernachlässigung höchst bedeutsamer Parameter der Welterbeeigenschaft der Schlösser Augustusburg und Falkenlust und damit letztlich zu deren Gefährdung führt.
Der Eingabenstellende empfiehlt daher dringend die Aufnahme sachorientierter Gespräche mit den Vertretern der Denkmalpflege, um auch das Thema der Wasserhaltung zu berücksichtigen, vor allem aber eine Lösung zu finden, die der UNESCO-Welterbestätte und ihrer Beziehung zur Kulturlandschaft gerecht wird. Der Eingabenstellende appelliert eindringlich an die Vertreter der Stadt Brühl, die bisher verfolgten Absichten noch einmal kritisch zu überprüfen. Der Titel UNESCO-Welterbestätte ist Anerkennung und Verpflichtung zugleich. Die Stadt Brühl profitiert von der Anerkennung der „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ als UNESCO-Welterbestätte im Rahmen ihres Stadtmarketings mit Formaten wie z. B. den Brühler Schlosskonzerten in erheblichem Maße. Viele Tausend Menschen besuchen die Stadt, um diese einzigartige Welterbestätte in ihren vielschichtigen Ausprägungen zu erleben. Der Eingabenstellende bittet um ein klares Bekenntnis für die Belange der UNESCO-Welterbestätte „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ in Brühl.
Schließlich ist noch auf § 172 Durchführungsrichtlinien zur Welterbekonvention hinzuweisen:

„Das Komitee für das Erbe der Welt fordert die Vertragsstaaten des Übereinkommens auf, das Komitee über das Sekretariat zu benachrichtigen, wenn sie die Absicht haben, in einem aufgrund des Übereinkommens geschützten Gebiet erhebliche Wiederherstellungs- oder Neubaumaßnahmen durchzuführen oder zu genehmigen, die Auswirkungen auf den außergewöhnlichen universellen Wert des Gutes haben können. Die Benachrichtigung sollte so bald wie möglich (zum Beispiel vor Ausarbeitung der grundlegenden Unterlagen für bestimmte Projekte) und vor Entscheidungen erfolgen, die schwer zurückzunehmen wären, so dass das Komitee mithelfen kann, angemessene Lösungen zu finden, um zu gewährleisten, dass der außergewöhnliche universelle Wert des Gutes vollständig erhalten bleibt.“

Es wird daher dringend empfohlen, unabhängig von einer letztendlichen Entscheidung über den Beschluss des Bebauungsplanes das Sekretariat des Welterbekomitees über das Auswärtige Amt von der Absicht der Neubebauung zu unterrichten.

zitiert nach: Anlage 11 zur Sitzung des PStA am 26.11.2020, S. 47-49